Avji Sirmoglu, Basel
Arbeiten, um zu leben – oder umgekehrt?
Existenzminimum
Bezahlte Arbeit hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Sie kann Sinn stiften und Status ermöglichen. Die Möglichkeiten im Arbeitsleben hängen nicht nur von (Aus-)Bildung und Erfahrung ab, sondern auch vom Arbeitsmarkt. Es gibt viele Arbeitnehmende, die für wenig Geld arbeiten. Sie arbeiten teilweise in mehreren Jobs, zusammengerechnet über 42 Stunden in der Woche, teilweise im Stundenlohn, teilweise auf Abruf, teilweise ohne Vertrag, ohne Versicherungen, Sozialleistungen, oft ohne Karrierechancen.
Was, wenn dein Lohn dennoch nicht reicht, um dein Leben zu finanzieren? Du gehst regelmässig arbeiten und bleibst doch unter dem Existenzminimum. Gemäss der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe liegt die Armutsgrenze für Einzelperson bei einem Einkommen von 2’279 Franken pro Monat. Wer arbeitet und trotzdem zu wenig verdient, gilt als «working poor». Familien geraten häufiger als Einzelpersonen in diese Situationen.
Verzicht aus Angst?
Wer wenig verdient, kommt bei unvorhergesehenen Ausgaben in Schwierigkeiten und verfügt über eine geringe Altersvorsorge, es droht Armut im Alter. Aber auch Gutverdienende können bei Jobverlust oder krankheitsbedingter Abwesenheit schnell ans finanzielle Limit kommen: Das Geld geht aus, doch die Steuerrechnung – erstellt auf Basis des alten Lohns – kommt trotzdem. Wer den Wiedereinstieg nicht rasch schafft, ist auf Hilfe angewiesen. Dem Gang zum RAV kann der Gang zur Sozialhilfe folgen. Wer danach wieder Arbeit findet, muss einen Teil der bezogenen Leistungen zurückbezahlen – in Basel-Stadt zumindest dann, wenn das Vermögen «ausserordentlich stark» gestiegen ist. Die Angst vor der Rückerstattungspflicht kann dazu führen, dass Bedürftige ihre Unterstützungsgelder nicht beziehen. Oft verzichten sie aber aus Scham oder wegen veränderter Aufenthaltsbewilligung auf die Gelder. Dieser Kampf kann zum Teufelskreis werden.
Mindestlohn und Working Poor
- 21.70 Franken: Das ist der Mindestlohn in Basel pro Stunde. Er sollte bei einer Vollzeitstelle für den Lebensunterhalt reichen.
-> Kommst du mit 4’101 Franken pro Monat über die Runden? Kannst du damit Wohnung, Krankenkassenprämie, Essen, Mobilität, Freizeit und Steuern bezahlen? Reicht das auch für eine Familie mit Kindern? - 3,1 Prozent: Anteil der Basler Bevölkerung, der 2023 arbeitslos gemeldet war.
- 40 Prozent: Anteil der armutsbetroffenen Menschen, die in der Schweiz gemäss Caritas in einem Working-Poor-Haushalt leben: Das sind 157’000 Menschen.